„Das Beste in der Musik steht nicht in den Noten“, wusste schon der berühmte Komponist Gustav Mahler. Musik ist ein Gefühl, kann Ausdruck sein und verbindet die Menschen. Das erlebten im Dezember Jugendliche verschiedener Herkunft, die sich zu einem Musik-workshop in der djo.Bildungsstätte. Himmighausen. zusammenfanden. In einer Großgruppe oder in kleineren Teams griffen sie zu Gitarren und Cajons und sangen dazu. Wer bisher noch nie ein Instrument in der Hand gehabt hatte oder dachte, er könne nicht singen, entdeckte in Himmighausen ganz neue Talente an sich.
Von Freitag bis Sonntag trafen sich die jungen Frauen und Männer in der Bildungsstätte. Das Wochenende fand im Rahmen des Projekts „Jugendverbandsarbeit mit jungen Geflüchteten“ statt. Der Assyrische Jugendverband Mitteleuropa e.V. (AJM) hatte den Workshop geplant und bis ins Detail vorbereitet. Unter der professionellen Anleitung von Rolf Springer fand jeder Teilnehmende schnell den Zugang zur Musik.
Die Session kann beginnen
Mit Neugierde und einer riesen Portion Vorfreude machten sich die Jugendlichen auf den Weg zur djo.Bildungsstätte.Himmighausen. Die erste Etappe führte sie von Paderborn nach Sandebeck. Hier holten Angelo Lombardo, der Leiter der Bildungsstätte, und Nora Liebetreu, die die jungen Frauen und Männer an dem Wochenende betreute, die gut gelaunte Truppe ab. „Obwohl sich viele Teilnehmende zuvor noch nie begegnet waren, herrschte von Beginn an eine super Stimmung“, war Noras erster Eindruck. Schon auf der Zugfahrt ab Paderborn spürte die Gruppe, wir passen zusammen. Najib und Karlos hatten kurz vor der Abfahrt noch etwas Obst, Snacks und Nüsse gekauft, die die Jugendlichen nun teilten.
Der Musikworkshop war interkulturell ausgerichtet. Der Musikworkshop war interkulturell ausgerichtet. Es gab Jugendliche ohne Migrationshintergrund und junge Geflüchtete mit assyrischen/aramäischen Wurzeln, aber auch ein geflüchteter Kopte aus Ägypten war dabei. Einige der Jugendlichen kannten sich bereits über die Teilnahme an dem Projekt B’shayno, andere waren zum ersten Mal bei einem Projekt der djoNRW oder des AJM. Genauso verschieden wie die Herkunft war auch die Erfahrung der Jugendlichen mit Musikinstrumenten. Aber das stellte kein Problem dar. Rolf Springer, der den Musikworkshop musikalisch leitete, ging während der drei Tage individuell auf die einzelnen Personen ein. Der erfahrene Musiker, der an der Musikhochschule Rotterdam Jazz- und Rockgitarre studiert hat, wusste, was die jungen Musiker und Musikerinnen möchten.
In Himmighausen angekommen, gab es erstmal ein gemeinsames Abendessen – und dann ging es endlich los. Schnell wurden die Instrumente ausgepackt und aufgebaut. Die Jugendlichen stürzten sich voller Begeisterung auf die Gitarren und die Cajons. Neulingen, die zuvor noch nie eine Gitarre in der Hand gehabt hatten, brachte Rolf Springer einige Akkorde bei. Das erste gemeinsame Stück war „Knockin‘ on Heaven‘s door“. Noch bis spät in die Nacht spielten die Jugendlichen Musik und sangen Songs.
Interkulturelle Musik
Am anderen Morgen machte man da weiter, wo man wenige Stunden zuvor aufgehört hatte: Nach dem Frühstück probte die ganze Gruppe Bob Dylans Klassiker. Anschließend übten die Jugendlichen in kleineren Teams, unter Anleitung von Rolf, weitere Gitarrenstücke ein.
Die interkulturelle Zusammensetzung des Workshops spiegelte sich nicht nur in der Herkunft der Teilnehmenden, sondern auch in den verschiedenen Musikrichtungen. Jeder konnte seine Ideen und Vorlieben einbringen. Neben viel Gitarren-Input bekamen die Jugendlichen die Möglichkeit zu improvisieren. So entstanden im Laufe des Wochenendes durch die Zusammenarbeit in der Gruppe viele verschiedene Stücke.
Aber nicht nur Cover-Version waren angesagt. Ilouna brachte ihre in deutsch, arabisch und assyrisch/aramäisch geschriebenen Liedtexte mit, wozu die jungen Musikerinnen und Musiker gemeinsam die Musik einspielten. Der Erfolg dieser spontanen Idee war riesig. Am Ende sang Ilouna ihre Lieder nicht mehr alleine, sondern wurde von den anderen auf Gitarren, Rasseln und Cajons begleitet. Einige fingen sogar zu tanzen an.
An dem Wochenende machten die Jugendlichen sich nicht nur mit Musik und Gesang vertraut, sondern lernten sich auch gegenseitig besser kennen. Sie erzählten sich Erlebnisse aus Syrien, aus Ägypten und aus Deutschland. Man entdeckte Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Kulturen und brachte sich gegenseitig die verschiedensten Ausdrücke wie „Guten Appetit“ bei.
„Insgesamt wurde an dem ganzen Wochenende viel gelacht, man konnte zugucken, wie neue Freundschaften entstanden oder bestehende sich intensivierten“, sagt Nora. Der Workshop stärkte das Gemeinschaftsgefühl. Das spürten die jungen Frauen und Männer spätestens als sie zusammen das Stück „Halleluja“ sangen.
Viele Talente
Bevor es am Sonntag nach Hause ging, stand eine große Abschlusssession an. Die in den beiden Tagen zuvor eingeübten Songs wurden nun noch einmal gespielt. Alle waren überrascht, wie viel sie an dem Wochenende gelernt hatten: Hasan, der nun Enrique Iglesias „Hero“ singen kann und dabei von den anderen auf der Gitarre begleitet wurde. Maria, die sich zugetraut hat ihr Lieblingslied „Hero of war“ am Mikrofon zu singen. Ilouna, die das erste Mal professionell beim Singen begleitet wurde. Oder Céline, die zuvor noch nie eine Gitarre in der Hand hatte und nun gleich mehrere Lieder spielen kann. Mit Recht können die Jugendlichen stolz auf ihre Leistung sein.
Nun hoffen alle, dass sich so ein Wochenende wiederholt. Auch wenn für Himmighausen noch kein neuer Termin feststeht, lassen die jungen Musikerinnen und Musiker die Zeit nicht ungenutzt verstreichen. Einige üben zu Hause an ihren Instrumenten oder schreiben neue Songs. In jedem Fall soll der Kontakt erhalten bleiben, und so trafen sich viele bereits in der darauffolgenden Woche.
Autor: Dr. Christian Kahl
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