News

Appell gegen die Streichung der Asylverfahrensberatung

Die Freie Wohlfahrtspflege NRW hat einen Appell an die Landesregierung gegen die geplante Streichung der Förderung der Asylverfahrensberatung (AVB) in den Aufnahmeeinrichtungen verfasst. Die djoNRW und viele weitere Institutionen sind Mitunterzeichner und unterstützen diesen Apell.

Der Haushaltsplanentwurf 2025 der Landesregierung sieht die weitgehende Zerschlagung des Förderprogramms „Soziale Beratung von Geflüchteten“ vor. Doch eine unabhängige Beratung für Asylantragsstellende ist unabdingbar für eine funktionierende Aufnahmestruktur des Landes NRW. Die Landesregierung will die komplette Förderung der Asylverfahrensberatung (AVB) in den Aufnahmeeinrichtungen beenden. Die Landesregierung verabschiedet sich zudem mit der Streichung der Asylverfahrensberatung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (AVB umF) von seiner Verantwortung, die schutzbedürftigste aller Gruppen qualifiziert zu beraten. Asylantragsstellende erhalten so keinen effektiven Zugang zur Rechtsberatung und -vertretung. Frustration und Unsicherheit der Antragsstellenden werden ansteigen, der Druck auf die bereits ausgelasteten Beratungsstellen in den Kommunen und in den Einrichtungen wird nochmals verstärkt.
Das Landesprogramm ist ein unverzichtbarer Bestandteil der migrationspolitischen Infrastruktur für geflüchtete Menschen in NRW. Eine unabhängige Beratung in Aufnahmeeinrichtungen und Kommunen ist durch das Land sicherzustellen.

 

 

Appell der Freien Wohlfahrtspflege NRW

Zerschlagung des Landesprogramms „Soziale Beratung von Geflüchteten“ – Streichung der Asylverfahrensberatung

Unabhängige Beratung für Asylantragsstellende ist unabdingbar für eine funktionierende Aufnahmestruktur des Landes NRW NRW braucht Rechtstaatlichkeit und Menschenrechte – gerade jetzt!

 Der Haushaltsplanentwurf 2025 der Landesregierung sieht die weitgehende Zerschlagung des Förderprogramms „Soziale Beratung von Geflüchteten“ vor:

  • Die Landesregierung will die komplette Förderung der Asylverfahrensberatung (AVB) in den Aufnahmeeinrichtungen (77 Stellen) beenden. Die Zusage, in jeder Landesunter-kunft Beratung für das Asylverfahren vorzuhalten, wird gebrochen. Entgegen der Auffas-sung des Flüchtlingsministeriums ist ein Ersatz durch die bundesgeförderte Asylverfah-rensberatung (AVB) aufgrund begrenzt verfügbarer Mittel nicht realisierbar. Infolgedessen wird es zukünftig in etwa zwei Dritteln der Unterkünfte – bei einem geplanten Ausbau auf 75 Einrichtungen – in rund 55 Unterkünften keine Asylverfahrensberatung mehr geben.
  • Die Landesregierung verabschiedet sich mit der Streichung der Asylverfahrensberatung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (AVB umF) (14 Stellen) von seiner Verant-wortung, die schutzbedürftigste aller Gruppen qualifiziert zu beraten. Sie stellen auch das asyl- und aufenthaltsrechtliche Fachwissen in der Kinder- und Jugendhilfe, für Vormünder und Jugendämter, sicher.
  • Die Landesregierung überträgt die Beratung zu Rückkehr und Ausreise in den Landesein-richtungen allein den Zentralen Ausländerbehörden und streicht die dort angesiedelte un-abhängige Ausreise- und Perspektivberatung (7,25 Vollzeitstellen)
  • Zudem ist die Qualität des Programms bedroht: Fachbegleitung und Fachstellen, die zur strukturellen Vernetzung und Kommunikation mit Behörden, BAMF, Ministerien sowie die rechtliche Qualifizierung der Mitarbeitenden sicherstellen, sollen gekürzt werden oder stehen in ihrem Fortbestand infrage (mind. 6 Stellen).

Entgegen dieser Kürzung von 7 Mio. Euro will die Landesregierung rd. 300 Mio. € zusätzliche Mittel für den Ausbau von Landeinrichtungen von derzeit 57 auf 75 und weitere rd. 12 Mio. € für die Einführung der diskriminierenden Bezahlkarte für Asylsuchende einsetzen.

Wie begründet das Flüchtlingsministerium die Streichung?

Die Streichungen werden begründet mit einem Verweis auf die bundesgeförderte Asylverfahrensberatung und mit nichtabgerufenen Mitteln im Landesprogramm. Beides ist nicht sachgerecht:

  • Der Bund stellt für NRW aktuell Mittel für ca. 20 Vollzeitstellen zur Verfügung – dem stehen 34.000 Plätze in 57 Landeseinrichtungen (Planung 2025: 40.000 Plätze in 75 Landesun-terkünften) gegenüber.
  • Träger der Beratung konnten die Mittel des Landes nicht beantragen, weil Träger zu den aktuellen Förderbedingungen bis zu 20.000 Euro pro Stelle zuzahlen müssten – Geld, das sie schlicht nicht haben. In den letzten Jahren sind bereits mehrere Träger in allen Förder-säulen aus dem Programm ausgestiegen.

Warum ist die Beratung wichtig?

Die Asylverfahrensberatung (AVB) ist die zentrale Beratungssäule, so dass Asylantragsstellende von Beginn an informiert und orientiert ihr Verfahren durchlaufen und vorbereitet die Anhörung wahrnehmen können. Bei kurzen Zeiten bis zur Anhörung ist die frühzeitige Beratung maßgeblich. Die Rechtsberatung stärkt und beschleunigt ein faires Asylverfahren und stellt sicher, dass Geflüchtete ihre Rechte wahren können, was für ihre Stabilisierung und Zukunftsperspektiven unerlässlich ist. Sie berät auch zu Fragen der Unterbringung, Sozialleistungen und dem Arbeitsmarktzugang in den Aufnahmeeinrichtungen.

Die Asylverfahrensberatung für unbegleitete minderjähre Flüchtlinge (AVB umF) verbindet als hochspezialisiere Fachberatung das Asyl-/Aufenthaltsrecht mit der Kinder- und Jugend-hilfe. Sie schult Vormünder sowie Mitarbeitende in Jugendämtern und Jugendhilfe zu asyl-rechtlichen Fragestellungen.

Die Ausreise- und Perspektivberatung in Aufnahmeeinrichtungen berät unabhängig, vertrauensvoll und ergebnisoffen zu Möglichkeiten der freiwilligen Ausreise in das Herkunftsland bzw. Weiterwanderung, klärt die persönliche Situation und gesundheitlichen Bedarfe, unter-stützt die Organisation der Ausreise.

Was bedeutet diese Streichung?

Das Land setzt ganz auf das zentrale Unterbringungssystem und verpflichtet Asylsuchende aktuell bis zu 24 Monate in Aufnahmeeinrichtungen zu leben. Die Streichung der Asylverfahrensberatung ist eine Abkehr von der Verpflichtung, Schutzsuchenden einen effektiven Zugang zu einer unentgeltlichen rechtlichen Beratung für das Asylverfahren.

Asylantragsstellende erhalten keinen effektiven Zugang zur Rechtsberatung und -vertretung. Frustration und Unsicherheit der Antragsstellenden werden ansteigen, der Druck auf die bereits ausgelasteten Beratungsstellen in den Kommunen und in den Einrichtungen wird noch-mals verstärkt.

Eine fehlende AVB in den Einrichtungen wird dazu führen, dass Einrichtungsleitungen und Betreuungsdienstleistende viele Anfragen erhalten, die sie in ihrer Rolle nicht beantworten können. Gleiches gilt für die Stellen der Psychosozialen Erstberatung (PSE) in den Einrichtungen. Die Asylverfahrensberatung bildet als zentrale Beratungsstelle die Grundlage für die Arbeit weiterer Beratungsstrukturen, wie PSE, Psychosoziale Zentren, Fachberatungsstellen etc.

Eine Streichung der AVB für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge (umF) würde dieser besonders schutzbedürftigen Gruppe die Möglichkeit nehmen, ihre Rechte angemessen wahr-zunehmen und dem System der Kinder- und Jugendhilfe wertvolle Expert*innen entziehen. Weder die weiteren Beratungsstrukturen der Migrations- und Flüchtlingsarbeit noch die ohne-hin überlasteten Strukturen der Jugendhilfe können die hochspezialisierte Fachberatung über-nehmen.

Die Übertragung der Rückkehrberatung in den Landesunterkünften an die zentralen Ausländerbehörden verursacht zwangsläufig Interessenskonflikte. Ein fehlender Zugang zur unabhängigen Ausreise- und Perspektivberatung verhindert, dass Ausreisewillige und -pflich-tige ergebnisoffen zu den Möglichkeiten einer Ausreise in Sicherheit und Würde beraten wer-den.

Wir sind uns bewusst: Das Land NRW befindet sich in einer schwierigen Haushaltssituation. Dennoch ist es nicht nachvollziehbar, dass die Landesregierung einerseits den Ausbau der Landeseinrichtungen priorisiert, gleichzeitig aber die Mittel für die landesgeförderte Asylver-fahrensberatung kürzt. Der Verweis auf die bundesgeförderte AVB als Ersatz ist nicht tragfä-hig, da diese weder alle Einrichtungen noch den gesamten Beratungsbedarf der Geflüchteten abdecken kann.

Die Verbände der Freien Wohlfahrtspflege NRW und Kooperationspartner setzen sich dafür ein, dass die Asylverfahrensberatung als zentrales Element der unabhängigen Rechtsbera-tung und erste Anlaufstelle für Geflüchtete in Deutschland erhalten bleibt. Eine Schwächung dieser Struktur hätte schwerwiegende Folgen für die geflüchteten Menschen in NRW und für die verbleibenden Strukturen im Aufnahmesystem.

Wir fordern die Landesregierung deswegen auf, die Zerschlagung des Landesprogramms SBvG zu verhindern und Lösungen dafür zu finden, alle Beratungssäulen und Begleitstruktu-ren in ihrer Konzeption zu erhalten sowie bedarfsgerecht und auskömmlich zu fördern. Darun-ter insbesondere:

  • die unabhängigen Asylverfahrensberatung
  • die unabhängige Asylverfahrensberatung für umF

Darüber hinaus:

  • die unabhängige Ausreise- und Perspektivberatung
  • die regionale Flüchtlingsberatung
  • die psychosoziale Erstberatung und psychosozialen Zentren
  • die dezentralen Beschwerdestellen
  • die Begleitstruktur zur Qualitätssicherung

Zusätzlich drängen wir auf die zügige Fertigstellung der Förderrichtlinien, um den Trägern die notwendige Planungssicherheit zu geben und eine rechtzeitige Antragstellung zu ermöglichen.

Das Landesprogramm ist ein unverzichtbarer Bestandteil der flüchtlings- und migrationspoliti-schen Infrastruktur in NRW. Eine unabhängige Beratung in Aufnahmeeinrichtungen und Kom-munen ist durch das Land sicherzustellen – gerade jetzt!